Tigerli E3/3
Seit ich dreizehn Jahre alt bin betreibe ich dieses Hobby. Als ich 27 Jahre alt war, erhielt ich im Juli 2017 von René die Nachricht «Es gäbe ein Tigerli welches zum Verkauf stehe». Nun ergab sich die Chance, eine erste eigene Dampflok zu erstehen.
Damals war der Verein Liliputbahn Chärnsmatt noch nicht existent. Wir waren im Verein Luzerner Gartenbahn tätig und die Lok wäre für eine kleine Anlage perfekt, denn sie ist klein und somit auch gut geeignet für Fahrtage mit mobilem Gleis, welche damals unser Vereinsbudget wesentlich aufbesserten.
Bis dann die Lok das erste Mal eingeheizt werden konnte dauerte es rund 6 Jahre. Dafür gab es mehrere Gründe: Ich war als Vorstandsmitglied beteiligt an der Gründung des Vereins; durfte die Signalsteuerung mit Daniel und Ronny komplett neu bauen und plante ein Hausbau.
Kurz: Die Rush-Hour des Lebens hatte begonnen. Aber es gab auch viel an der Lok zu bauen. Und dazu berichte ich nun gerne mehr.
Lesedauer ca. 15 Minuten.
So trafen wir die Lok an:
Die Lok ist gross genug, dass sie Zugkraft hat und klein genug, dass man sie im Kofferraum transportieren kann. So wurde sie am 5. August dann nach Nidwalden in den Hobbyraum verfrachtet.
Wir wussten von Anfang an, dass die Lok überarbeitet werden muss. Und so begannen wir mit der Demontage im Hobbyraum von René.
Nun, umso mehr wir demontierten, änderte das Adjektiv von «bisschen» zu «viel» Arbeit
Ein Paradebeispiel zum Lokzustand. Es wurde vom ursprünglichen Erbauer viel gut gebaut, aber leider auch sehr viel gebastelt.
Mir wurde klar, wenn die Lok langfristig Freude machen soll, muss von Grund auf jede Schraube demontiert und bei Bedarf aufgearbeitet werden.
Beim ersten Reinigen des Rahmens stellte ich fest: Die Farbe hält nicht. Auch wenn dies zu Beginn ein Rückschlag war, darf man nicht den Humor verlieren. Denn das Gute ist: Wenn man merkt, dass der Lack nichts wert ist, kann man auch eine Testansprutz unkompliziert durchführen.
Auf Anraten von René, wurden die Achsen ausgebaut und die Gleitlager zu Kugellager umgebaut. Der Vorteil: Wartungsfrei und kein Risiko auf Defekte im Vergleich zu den Gleitlagern (Gefahr auf Überhitzen durch Trockenlauf).
Für die Kugellager benötigte es neue Achskisten. Und damit diese korrekt im Rahmen eingesetzt werden können, musste der Rahmen angepasst – gefräst – werden. Das Ziel: Die Achskisten auf beiden Lokseiten sollen nicht verschoben parallel verbaut sein.
Ein erster Test der neuen Achskisten. Damit diese geführt gleiten, mussten die Führungen nach dem Fräsen noch von Hand passend geschliffen werden.
Die neu hergestellten Achsen wurden Tiefgekühlt in die Lager eingepresst – Metall zieht sich bei Kälte zusammen.
Fertig «eingeachst» und schon wird das erste Mal mit Druckluft ein Testlauf gemacht – sie dreht! Solche Momente sind nach all den Rückschlägen sehr motivierend! Auch wenn ich infolge Nachwehen von einem Treberwurstessen mit Wein am Bielersee den Moment verpasste und René diesen Moment für mich per Video festhielt...
Am Rahmen mussten Anpassungen vorgenommen werden. Die Gewindetiefen für die Verschraubungen waren zum Teil ungenügend. Entsprechend wurden die Verschraubungen angepasst und die «Schraubenstümmel» durch richtige Schrauben ersetzt.
Auch war die Kupplung zu filigran ausgeführt. Da dies ein Reissen der Kupplung bei Fahren unter Last zur Folge haben kann, entschieden wir uns neue Kupplungen einzubauen.
René hat für sein Wagenbauprojekt Kupplungen angefertigt und baute für mich noch zwei Stück mit - Danke vielmals für die schönen Stücke!
Dann wurden alle offenen Gewinde mit Schrauben verschlossen und damit bereit gemacht fürs Lackieren.
Das Lackieren war ein Geburtstagsgeschenk für meinen 30igsten Geburtstag. Danke an René, Aron, Dani und Thomas!
Nun begann die Montage. Die Achskistenführungen wurden eingeschraubt. Diese wurden nicht lackiert, da bereits die Farbschicht zu viel auftrag wäre, sodass die Achsen nicht mehr darin gleiten könnten. Weiter würde sich die Farbe sowiso wegreiben.
Nach der Montage konnten die Schraubenköpfe lackiert werden – so gut wie jetzt kommt man nie mehr dazu. Und schon ist wieder was fertig.
Und bereits kam das nächste Problem zu Tage: Die Fahrpumpe (Bronze Farbiges Teil in der Mitte) war nicht funktionsfähig. So musste der Zylinder angepasst werden und der Tropföler bei der Achse wurde zu einem Fettschmiernippel umgebaut. Denn wenn die Lok auf den Rädern steht kommt man nur von unten her dazu. Und somit wäre ein Tropföler die denkbar unpraktischste Lösung.
Kaum waren die Räder montiert stellte ich fest: Der Lack auf den Rädern ist ebenfalls nichts wert. Also musste ich einen Weg finden, die Räder zu entlacken.
Das Problem: Bei der Montage der Räder wurde eine Madenschraube beschädigt. Man bringt das Rad vorerst nicht mehr runter. Um nicht neue Achsen herstellen zu müssen und Räder neu herstellen zu lassen versuchte ich verschiedene Entlackungsansätze. Die Herausforderung: Auf den Achsen sind Kugellager montiert. Sandstrahlen und in Beize einlegen würde die Lager beschädigen.
Zuerst versuchte ich es mit dem Entlacken per Dremel – nach sechs Stunden für ein Rad war klar: Dies ist keine praktikable Lösung. Zu viele Ecken bleiben vom alten Lack belegt und es ist eine unglaublich zeitintensive Angelegenheit.
Die Idee kam mir dann beim Entkalken / Badputzen: Einlegen in Säure entfernt Kalk. Einlegen in Nitro, entfernt Lacke. Und so machte ich mich auf die Suche nach Nitrofesten Behältern und einem Ort, wo man ungestört ein Nitrobad mit den Rädern durchführen kann. An die Leser der SUVA und Gebäudeversicherung: Die PSA wurde getragen und auch an den Brandschutz wurde gedacht.
Bereit für die Grundierung:
Der Aufwand hat sich gelohnt!
Nun konnte die aufgearbeitete Fahrpumpe und die neu lackierten Räder eingebaut werden.
Sieht schon mal schick aus! Als Grössenvergleich steht im Hintergrund die sich in der Winterrevision befindende Mölm / Hersteller Balson.
Nun gings weiter mit Lackieren. Sinnbildlich für alle Teile – ja wirklich alle Teile mit Ausnahme vom Kesselblech und Führerhaus – steht das nachfolgende Bild. Jedes Teil wurde Sandgestrahlt (Lack entfernen), Entfettet, Grundiert und mit zwei Farbschichten lackiert. Zeitweise war dies über mehrere Wochen die Hauptarbeit. Und die schönste Arbeit beim Lackieren ist immer die Trocknungsphase.
Das schöne wenn man bei einem Gasthof sein Hobby betreibt: Es gibt eine tolle Küchencrew welche einem mit Nervennahrung ausstattet – Danke euch!
Falls das Lesen bis hier hungrig gemacht hat. Hier gibt es den Link zum Gasthof um einen Tisch zu reservieren: chaernsmatt.ch
Nun war alles bereit für die Zylindermontage. Und so oft in diesem Projekt merkte ich: Immer wenn man einen Schritt nach vorne geht, wird ein Rückschritt folgen. Und so war es auch bei den Zylindern.
Dieses Loch war für die Herstellung des Teils notwendig und wurde abgedeckt. Im Anschluss scheint der Erbauer diese Kappe wieder abgeschliffen zu haben. Auf das absolute Minumum von unter einem Millimeter. Janu, kopf hoch und nun wird halt noch die Abdeckung neu gebaut. Alles mit dem Ziel vor Augen, die Lok in einen hervorragenden Zustand zu bringen.
Auch wurden noch weitere Teile an den Zylinder überarbeitet und betriebsfähig gemacht. Am Ende wurde alles noch mit Ofenlack zwecks Korrosionsschutz eingebrannt und mit Dichtungsmasse aus der Automobilindustrie abgedichtet.
Der Testlauf ist geglückt (Die Finger dichten die noch nicht montierten Entwässerungshahn-Löcher):
Weiter ging es mit der Drucklufttank Attrappe. Diese war so montiert, dass der Rost nicht ausgezogen werden konnte. Weiter war er mit konkaven Zylinderdeckeln ausgestattet.
Die konkaven Deckel wurden abgeschnitten, das Hohlrohr mit einem Rundprofil (Gewicht für mehr Adhäsion) gefüllt und dann mit den konvexen Deckel von verbrauchten Argonflaschen verschweisst und geschliffen.
Damit der Druckluftzylinder nicht im Weg für den Rost steht, wurden Halterungen angeschweisst.
Nun gings weiter mit der Montage der Teile. Immer wieder mussten Kleinigkeiten angepasst oder gelöst werden. Aber die Richtung stimmte – das Tigerli wuchs zu einer Lok an. Und der Besitzer betrieb Werkstatt Yoga - Diese Übung heisst: Zylinder verrohren.
Nach dem Zusammenbau des Getriebes testete ich dieses mit Druckluft. Ich stellte fest, dass das Gestänge noch den Lineal touchiert. Da diese Teile gegeben sind und Aufwändig anzupassen sind, setzte ich auf Anraten von René die Lok höher. Die Federung-Distanzstangen machte ich neu und hob die Lok um 7mm an. Im oberen Stream sieht man das touchieren und unten nach der Korrektur:
Bei den Zylindern fehlten die Schlammhähnen.
Für nicht Dampfbahner: Das sind die Entwässerungsventile bei den Zylindern. Wenn heisser Dampf in kalte Zylinder strömt, kondensiert der Dampf. Wasser lässt sich nicht verdichten. Ergo gibt es beim Fahren Schläge welche zu Schäden führen können, wenn man das Wasser nicht ablässt. Dafür benötigt man diese Ventile.
Ich erhielt grossartige Unterstützung im Verein, denn für diese Arbeit reichten meine Fähigkeiten nicht aus. René konstruierte die Teile.
Patrick und Manuel fertigten mir die Schlammhähnendüsen an. René den Hebel und den Einbau.
Am Ende fertigte ich noch ein Schalldämpfer an, der den Dampf verteilt und kein Dreck vom Boden hochspritzen lässt.
Nun kam die schönste Arbeit: Verrohren
Alle Rohre wurden neu angefertigt, da die Bestehenden in Bezug auf Funktion nicht brauchbar waren.
An dieser Stelle Danke an Christoph für die "Lötschulung per Remote-Video" und an die Firmen bzw. Herren:
Herr Iten, imech.ch
Herr Link, dampfmodellbau.de
Herr Ehrle, gartenbahn-ehrle.de
...für die Unterstützung bei Fragen und Unklarheiten.
Auch bei dieser Arbeit durfte ich viel lernen. Denn ich hatte noch nie Kupferrohre gelötet. Beziehungsweise noch nie Hartgelötet. Das Resultat macht mich stolz. Was noch fehlt, ist die Kohle im Kohenbunker links und ein Kantenabschluss vom Holz aus Messing.
Die Vorfreude steigt – alles ist Bereit für die Testfahrt.
Am 6. Juli 2024 sah das Tigerli zum ersten mal nach sieben Jahren wieder Sonnenlicht.
Was bleibt:
Die Erfahrung, dass man dranbleiben muss. Dass man viele gute Menschen um sich herum hat, welche mithelfen, mitfiebern und beistehen wenn etwas «abverheit» und man nochmals neu anfangen muss. Dass man nie ausgelernt hat. Die Dankbarkeit dafür, dass mein Partner Lukas so viel Verständnis für dieses zeitintensive Projekt hatte und mich «machen liess».
An dieser Stelle nochmals in gebündelter Form ein grosses Danke an:
René für dass du mir "das Ganze eingebrockt hast" ;-) Danke für die unzähligen Stunden welche du investiert hast und immer wieder mit tollen Ideen oder Inputs die Lok und mich vorangebracht hast. Ohne dich gäbe es die Berta nicht.
Pädi, Manuel und Christoph für die wunderbaren Schlammhähnen, das Mitfiebern, die Tipps und die Lötschulung.
Beat und Michael fürs Entlacken der Geländer und die Montage der Lämpchen.
Erster Fahrtag am Clubfest 31. Juli 2024
Am 31. Juli 2024 fuhr das Tigerli dann den ersten Fahrtag und erhielt zur Feier des Tages etwas Blumenschmuck - merci Lukas!